Donnerstag, 4. Oktober 2012

Vegane Ernährung

Der Begriff „vegan“ stammt aus der Verkürzung von veg-etari-an. Als Wortschöpfer gilt Donald Watson, Mitbegründer des ersten organisierten Zusammenschlusses von Veganern, der 1944 in Leicester/Großbritannien entstandenen Vegan Society. Wurden Veganer unlängst noch als „Spinner“ abgetan, hat die vegane Lebensweise inzwischen begonnen, sich in der Gesellschaft zu etablieren. So finden inzwischen regelmäßig vegane Messen und Straßenfeste statt, die Zahl veganer Restaurants und Cafés nimmt – vor allem in größeren Städten – ständig zu und 2011 wurden in Berlin und Dortmund die beiden ersten veganen Vollsortiment-Supermärkte eröffnet.


Warum „vegan“?

„Vegan“ ist weitaus mehr als eine Ernährungsform, sondern umfasst den gesamten Lebensstil. Die Entscheidung für ein veganes Leben fällt oft nicht von heute auf morgen, sondern wird schrittweise angegangen. Die meisten Veganer haben sich vorher eine gewisse Zeit lang vegetarisch ernährt, bevor sie schließlich dazu übergegangen sind, alle tierischen Lebensmittel zu meiden. Bezüglich der Ernährung heißt das, nicht nur Fleisch und Fisch, sondern auch Milch und Milchprodukte sowie Eier und Honig wurden vom Speiseplan gestrichen. Zudem werden alle Erzeugnisse abgelehnt, die von Tieren stammen, also z.B. Leder, Wolle oder Daunendecken.

Beweggründe für eine vegane Lebensweise sind teilweise gesundheitlicher, vor allem aber ethischer Natur. Das Töten von Tieren wird als Unrecht empfunden, denn Tiere besitzen ebenfalls ein Recht auf Leben und Unversehrtheit. Auch bei Vegetariern, die weiterhin Produkte von lebenden Tieren – wie Milch, Milchprodukte und Eier – konsumieren, ist dies die Hauptmotivation. Veganer gehen aber einen Schritt weiter und lehnen grundsätzlich die Haltung von Tieren zur Herstellung von Konsumgütern ab. Neben dem Ernährungsbereich betrifft das jegliche (Aus)Nutzung von Tieren, wie für Tierversuche, zur Wollproduktion oder Vorführungen im Zirkus.


Nährstoffversorgung bei veganer Ernährung – alles im Lot?

Über die gesundheitlichen Vorteile oder Risiken einer veganen Lebensweise wird heftig diskutiert, meist jedoch unter dem Blickwinkel einer möglichen Mangelernährung. Tatsächlich jedoch sind Veganer mit vielen Nährstoffen besser versorgt als die Allgemeinbevölkerung (und teilweise noch besser als Vegetarier).

Hierzu zählen Antioxidantien (Beta-Carotin, Vitamin C und E), Folat, Biotin, Magnesium sowie sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe. Bei anderen Nährstoffen hingegen ist die Versorgung von Veganern oft nicht optimal. Potentiell kritische Nährstoffe sind Vitamin B12, Jod, Kalzium sowie teilweise Eisen (Veganerinnen), Vitamin B2, Zink und Omega-3-Fettsäuren. Hier sollten Veganer – wie auch Vegetarier – auf eine ausreichende Zufuhr achten (siehe Artikel „Vegetarische Ernährung“.


Auch die Proteine (Eiweiß) kommen nicht zu kurz
 
Trotz vieler Vorurteile ist die Proteinversorgung bei veganer Ernährung kein Problem. Die durchschnittliche Proteinaufnahme von Veganern liegt meist näher an den Empfehlungen als die von Vegetariern oder Fleischessern – die beide mehr Protein als notwendig aufnehmen. Dennoch liegen in einigen Studien 30 bis 40 Prozent der Veganer unter der empfohlenen Proteinzufuhr von 0,8 g/kg Körpergewicht. Pflanzliches Protein ist aufgrund seiner Zusammensetzung und dem Einschluss in pflanzliche Zellwände für den menschlichen Körper weniger gut verfügbar als tierisches Protein. Das kann jedoch leicht ausgeglichen werden, indem man verschiedene pflanzliche Proteinquellen kombiniert, z.B. Getreide und Hülsenfrüchte. Dabei müssen die unterschiedlichen Proteinlieferanten nicht in einer Mahlzeit enthalten sein. Es genügt, die verschiedenen Produkte über den Tag verteilt zu verzehren.


An Vitamin-B12-Supplementierung führt kein Weg vorbei

 
Vitamin B12 (Cobalamin) ist wichtig für die Zellteilung, die Blutbildung und das Funktionieren des Nervensystems. Zudem trägt es dazu bei, die Aminosäure Homocystein im Blut abzubauen. Erhöhte Homocysteinspiegel sind ein Risikofaktor für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vitamin B12 wird durch Mikroorganismen, wie Bakterien, gebildet und kommt in nennenswerten Mengen ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor. Daher sind viele Veganer schlecht mit Cobalamin versorgt, denn sie meiden alle Produkte, die von Tieren stammen. Hinzu kommt, dass viele Mythen über angebliche pflanzliche Vitamin-B12-Quellen kursieren: Bier, Algen, fermentierte Sojaprodukte, Sanddorn u.v.m. Diese Lebensmittel können minimale Spuren von Vitamin B12 enthalten. Zum größten Teil handelt es sich aber um so genannte Vitamin-B12-Analoga. Das sind Stoffe, die chemisch dem Vitamin B12 ähneln, aber nicht dessen Wirkung im Körper entfalten können. Eine weitere oft erwähnte Methode zur Bedarfsdeckung von Vitamin B12 ist die körpereigene Produktion durch Bakterien im Dickdarm. Auch dies ist keine praktikable Möglichkeit zur Cobalamin-Versorgung, da Vitamine (und andere Nährstoffe) im Dünndarm, also höher liegenden Darmabschnitten, aufgenommen werden. Wer vegan lebt und daher jegliche Art von Tierprodukten meidet, muss deshalb seine Vitamin-B12-Versorgung über Nahrungsergänzungsmittel, angereicherte Lebensmittel oder neuerdings über eine Vitamin-B12-haltige Zahnpasta decken. Langfristig kann ein Vitamin-B12-Mangel schwerwiegende Gesundheitsschäden verursachen. Hierzu zählen Sensibilitätsstörungen (z.B. „Ameisenkribbeln“ an Händen, Füßen und anderen Körperteilen), Schwäche von Reflexen und Bewegung, Störungen der Bewegungskoordination sowie psychiatrischen Störungen, wie Verwirrung, Halluzinationen, Gedächtnisstörungen bis hin zu Psychosen, sowie Blutarmut. Durch eine sichere Vitamin-B12-Zufuhr ist all dies vermeidbar.


Leben Veganer gesünder?

Eine vollwertig zusammengestellte vegane Ernährung hat zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Veganer im Vergleich zu Mischköstlern einen niedrigeren BMI (Body Mass Index) und ein geringeres Körpergewicht aufweisen. Veganer erkranken außerdem deutlich seltener an Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen (z.B. erhöhte Cholesterinspiegel). Diese und andere typische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen bei Veganern viel seltener vor als bei Fleischessern – entsprechend niedrig ist ihr Risiko für Herzinfarkt und andere Erkrankungen des Kreislaufsystems. Dennoch ist das Herz-Kreislauf-Risiko bei Veganern im Vergleich zu Vegetariern leicht erhöht. Die Ursache dafür könnte in den bei Veganern häufig beobachteten erhöhten Homocysteinspiegeln (siehe Absatz Vitamin B12) liegen. In der Deutschen Vegan-Studie wiesen über 70 Prozent der Veganer erhöhte Homocysteinspiegel auf – und damit einen unabhängigen Risikofaktor für Krankheiten des Kreislaufsystems. Für Homocysteinspiegel im Normbereich ist eine ausreichende Versorgung mit Folat, Vitamin B12 und Vitamin B6 notwendig.

Insbesondere aufgrund einer höheren Aufnahme von Antioxidantien, sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen durch den ausschließlichen Verzehr pflanzlicher Kost ist eine vegane Ernährung, ebenso wie eine vegetarische, mit einem geringeren Risiko für verschiedene Krebsarten verbunden. Neben dem Meiden von rotem Fleisch ist für diese Wirkung vor allem der Konsum gesundheitsfördernder pflanzlicher Lebensmittel, wie Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte, verantwortlich.

Gesunde Knochen brauchen Kalzium. Da Milch und Milchprodukte wegfallen, kann auch Kalzium ein potentiell kritischer Nährstoff für Veganer sein. Während es bezüglich der Knochengesundheit zwischen Vegetariern und Fleischessern keine signifikanten Unterschiede gibt, zeigen Veganer in Studien oft eine geringere Knochendichte oder ein erhöhtes Frakturrisiko. Als Ursache dafür wird die häufig niedrigere Kalziumaufnahme gesehen. So erreichen Veganer in Studien durchschnittlich nur 55 bis 60 Prozent der empfohlenen Zufuhrmengen. Dies ist einerseits auf den teilweise niedrigeren Kalziumgehalt pflanzlicher Lebensmittel zurückzuführen, andererseits spielen auch die Kalziumaufnahme hemmende Faktoren eine Rolle, wie z.B. Phytinsäure oder Ballaststoffe. Veganer sollten daher gezielt kalziumreiche Lebensmittel (z.B. Sesam/Sesammus, Nüsse, Sojafleisch, Grünkohl) und kalziumreiche Mineralwässer konsumieren.

Doch nicht Kalzium allein ist entscheidend für die Knochengesundheit, eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D ist ebenfalls unabdingbar. Neben seiner Wirkung im Immunsystem fördert Vitamin D die Kalziumaufnahme im Darm sowie die Einlagerung von Kalzium im Knochen. In den sonnenreichen Monaten (etwa Mitte April bis Anfang Oktober) kann der Körper Vitamin D durch UV-B-reiche Sonneneinstrahlung in der Haut selbst bilden. Dabei reichen etwa 15 Minuten pro Tag mit unbedecktem Gesicht, Hals und Armen aus, um den Tagesbedarf zu decken. In den sonnenarmen Monaten kommt die Vitamin-D-Eigensynthese aufgrund des flacheren Einfallwinkels der Sonnenstrahlen jedoch weitgehend zum Erliegen. Unabhängig von der Ernährung wird dann eine adäquate Vitamin-D-Versorgung zum Problem für die Gesamtbevölkerung, da nur wenige Lebensmittel höhere Mengen an Vitamin D enthalten. Selbst bei omnivorer Ernährung reicht die Vitamin-D-Zufuhr durch die Nahrung nicht aus. Für optimale Knochengesundheit sowie zur Osteoporose-Prävention sollte daher von Oktober bis Mitte April die Verwendung von Vitamin-D-Supplementen erwogen werden. Das für den Körper besser verfügbare Vitamin D3 wird jedoch meist aus dem Wollfett von Schafen, also nicht vegan, hergestellt. Bisher mussten Veganer hier auf pflanzliche Vitamin-D2-Alternativen zurück greifen, die allerdings eine geringere Wirksamkeit aufweisen. Mittlerweile sind auch vegan hergestellte Vitamin-D3-Produkte, z.B. aus Flechten, auf dem Markt.


Vorteile für die Umwelt

Nicht nur auf die Gesundheit und die Tiere, sondern auch auf globale Aspekte, wie Nachhaltigkeit, Umwelt und Welternährung, kann sich eine vegane Lebensweise sehr positiv auswirken. Sogenannte „Nutztiere“, die der Fleisch- und Milchproduktion dienen, werden mit Futtermitteln versorgt, die von Menschen auch direkt als Lebensmittel verzehrt werden könnten (v.a. Soja und Getreide). Zudem werden durch den Futtermittelanbau in den Herkunftsländern, wie Brasilien, Ackerflächen belegt, die nicht mehr für die Lebensmittelversorgung der einheimischen Bevölkerung genutzt werden können. Die weltweite Tierhaltung trägt maßgeblich zur Klimaerwärmung sowie zum Wasser- und Energieverbrauch bei. Durch das Meiden aller Tierprodukte stellen sich die ökologischen Vorteile bei einer veganen Ernährung noch deutlicher dar als beim Vegetarismus ( Verlinkung zum Vegetarier-Artikel). Neben einem um bis zu 90 Prozent kleineren CO2-Fußabdruck als bei einer omnivoren Ernährung, hinterlässt die vegane Lebensweise einen etwa 50 Prozent geringeren Wasser-Fußabdruck. Eine rein pflanzliche Ernährung ist in der Gesamtbewertung deutlich ressourcenschonender als eine durchschnittliche Mischkost.

Insgesamt hat eine gut geplante vegane Ernährung (bei Beachtung der potentiell kritischen Nährstoffe und in Verbindung mit einer Vitamin-B12-Supplementierung) nicht nur positive Auswirkung auf die eigene Gesundheit, sondern auch auf globale Aspekte und kann zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Lebensweise beitragen.




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