Vom Glück, ein Feld zu bestellen und reiche Ernte einzubringen: ein Erfahrungsbericht von Nikolai Hoffmann
„Wär es nicht schön, ein eigenes Feld zu haben, eigenes Gemüse anzubauen und zu ernten?“ fragte meine Liebste.
Die Vorstellung, mit bloßen Händen in Erde zu wühlen, Ungeziefer aufzusammeln, bei Wind und Regen über einen lehmigen Acker zu stapfen, um die Kochtöpfe zu füllen, anstatt in einem Geschäft das nötige Gemüse zu besorgen, ließ mich zweifeln. Sie beharrte darauf, erst einmal mit der Krautgärtnerei zu beginnen, und reservierte kurzerhand ein Stück Feld im Osten Münchens für uns.
Schon an unserem ersten Nachmittag auf unserer „Scholle“
verschwendete ich keinen
Gedanken mehr an die Widrigkeiten der Krautgärtnerei, grub um, harkte, jätete
und pflanzte, bis es dunkel wurde. Viereinhalb Jahre sind seither vergangen, in
denen wir von Ende Mai bis Oktober Radieschen, etliche Sorten Salat, Rettich,
Spinat und Kohlrabi, Zuckerschoten, Strauch- und Stangenbohnen, Rote Beete, Zwiebeln,
Gurken, Mangold, Zucchini, Kartoffeln, Mais, Kürbisse und, und, und nach Hause
tragen.
Wir kommen aber nicht nur in
den Genuss von Feldfrüchten, die besonders saftig und festfleischig sind, weil
sie nicht im Lkw durchs Land oder gar über Kontinente hinweg reisen mussten und
in finsteren Kühlräumen ihrem Verkauf weiß Gott wie lange entgegensahen, die
kräftig schmecken und deren Aromen vielfältig sind. Weil auf unserem Feld
vorbehandeltes Saatgut, Kunstdünger und Pflanzen– und Insektengifte verboten
sind, ernähren wir uns nicht nur biologisch, wir erhalten unsere Umwelt, tun
weder dem Boden noch dem Wasser Gewalt an. Und entsprechend lebendig geht es
auf unserem Acker zu: Würmer durchgraben die Erde, fressen faulende
Pflanzenreste und scheiden Nährstoffe aus; fällt häufiger Regen, nehmen die Blattläuse
zu, doch ebenso bevölkern nach Kurzem Schwärme von Marienkäfern Brokkoli und Mangold,
die Läuse zu verspeisen. Vor zwei Jahren taten sich Feldhasen an unseren
Kohlrabisetzlingen gütlich, in diesem Sommer finden unter dem Karottenkraut
etliche Frösche ein Zuhause. Raupen, Käfer, Ameisen, sogar Libellen und
Schnecken verschiedenster Art, Kohlweißling und Bläuling leisten uns
Gesellschaft. Sie alle kommen zu ihrem Recht und werden ebenso wenig durch
Pestizide (von lat. pestis = Geißel,
Seuche und lat. caedere = töten) vertilgt
wie das sogenannte Unkraut. Der Name wird ihm nicht gerecht, das lehrt einen
Krautgärtner nach und nach die Erfahrung. Zwar ist es nötig, etwa Quecke und
wilde Rauke ausreichend zu jäten, so dass sie die Setzlinge von Salat, Mairüben
oder den angesäten Spinat nicht überwuchern und ihr Gedeihen verhindern. Doch
etwas Beikraut bewahrt den Boden vor dem Austrocknen, und gleichmäßig
bewachsene Erde bleibt locker, und Wind und schwerer Regen können ihr nicht
zusetzen. Manches Kraut bereichert auch unsere Rezepte: Rauke und Löwenzahn
wandern in die Salatschüssel oder würzen einen Kräuterquark, Breitwegerich und
echte Kamille werden als Tee genossen.
Ein Feld zu beackern,
mitzuerleben, wie manches sprießt, wächst und reift, anderes trotz großer Mühe
verkümmert, lässt einen bald begreifen, wie eng in der Natur alles Werden und
Vergehen miteinander verwoben ist. Seit vier Jahren freue ich mich auch im
Sommer, wenn ergiebiger Regen fällt, und leide, wenn er ausbleibt, ängstige
mich vor Hagel. Wir haben gelernt, dass der Boden es nicht verträgt, wenn wir
ihn zu tief umgraben, haben erfahren, dass nichts wächst, wenn die Zeit nicht
reif dafür ist, wenn Wasser, Licht und Erde den Samen nicht zum Keimen bringen.
Es gibt gute Jahre und solche, die Geduld und Demut vor der Natur und ihrer
scheinbaren Willkür erfordern. Zu guter Letzt aber, nachdem wir bei der Arbeit
mit Schaufel, Harke, und Kanne Gelassenheit und Seelenruhe wiedergefunden und
das Vergnügen genossen haben, Selbstgeerntetes zu kochen, war und ist unser
Tisch noch jedes Mal reich gedeckt.
Zahlreiche
Links zum Thema „Urban Gardening“ finden Sie unter:
Infos
und Links zur Urban-Gardening-Bewegung in Berlin:
Infos
und Links zu Urban Gardening in Köln:
Infos zur Krautgärtnerei in
München: www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Kommunalreferat/stadtgueter/krautgaerten.html
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Nikolai Hoffmann / gluten appetit beantwortet gerne Ihre Fragen.
Autor:Nikolai Hoffmann
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